Die Schönheit des Kulinarischen

Warum ist Essen schön?

Das Projekt zur Schönheit des Kulinarischen zielt darauf ab, den Blick auf eine Notwendigkeit des menschlichen Lebens, das Essen, neu auszurichten. Es soll darauf aufmerksam machen, dass auch lebenserhaltende Maßnahmen schön gestaltet werden und einen Beitrag zum allgemeinen Wohlbefinden leisten können. In der theoretischen Auseinandersetzung mit der Frage, worin die Schönheit des Kulinarischen überhaupt besteht, gerieten mehrere Aspekte in den Fokus. Die ästhetische Schönheit des Essens lässt sich dabei in der Regel in erster Linie durch ihre Symmetrie bestimmen, da der Mensch im Laufe der Evolution verinnerlichte, dass symmetrische Pflanzen genießbar sind, wohingegen der Verzehr von deformierten Pflanzen gefährlich sein könnte. Auch die Frische und Farbe von Lebensmitteln spielt eine Rolle inwieweit das Essen als schön angesehen wird.


Ein weiterer Aspekt der Schönheit des Kulinarischen beinhaltet den Geschmack der Nahrung, da die verschiedenen Sinnesorgane des Menschen verknüpft sind und somit ein schöneres Aussehen des Essens auch zu einem intensiveren und positiveren Geschmackserlebnis führt, wie auch der allgemein bekannte Ausdruck „das Auge isst mit“ deutlich macht. Auch die Geselligkeit, die mit gemeinsamen Mahlzeiten verbunden ist, spielt eine Rolle im Zusammenhang mit der Schönheit von Essen und lenkt den Fokus vom reinen Äußeren der Lebensmittel hin zum sozialen Aspekt der Essensaufnahme.

Foodstyling

Der Trend, Essen nicht nur zuzubereiten, sondern auch zu präsentieren und festzuhalten, erfreut sich wachsender Beliebtheit. Somit ist Foodstyling unlängst nicht mehr nur für Profifotografen ein Begriff, sondern trifft auf das Interesse einer breiten Masse. Doch gerade der Profi, welcher meist das Essen für Werbezwecke fotografiert, arbeitet häufig mit Tricks. Mit Lack und Haarspray wird Obst und Gemüse verschönert. Für einen tollen Glanz, Altöl auf Schokolade gepinselt. Das „perfekte“ Brathähnchen wird mit Küchenrolle ausgestopft, die Schenkel mit Sekundenkleber fixiert, die Haut wird angenäht. So wird Essen in etwas verwandeln, das konträrer nicht sein könnte. Lebensmittel werden zum Kunstmaterial, das Essen wird zur optischen Schönheit und gleichzeitig zu einem kulinarischen Desaster. Es wird eine Illusion von vermeintlich perfektem Essen geschaffen, welches allerdings ungenießbar ist. Man könnte sogar so weit gehen, dass Essen zum Gegenteil seines eigentlichen Zweckes umfunktioniert wird. Essen ist in diesem Kontext nicht mehr länger etwas, das uns am Leben hält, wenn wir es  zu uns nehmen, sondern wird zu etwas schädlichem, giftigen, für unseren Körper.

#foodporn

 

Seit einigen Jahren findet sich auf Instagram und anderen sozialen Netzwerken der Hashtag #foodporn, unter dem die Userinnen und User Essen oder Essensideen mit anderen Teilen. Aber woher kommt dieser Begriff überhaupt? Ursprünglich stammt er von Rosalind Coward. Die Feministin beschrieb 1984 in ihrem Buch Female Desire unter dem Begriff, „die extreme, fast morbide Aufmerksamkeit auf die Präsentation des Essens“ in Kochzeitschriften oder Fernsehsendungen. Das Phänomen der Verbildlichung von Essen ist aber weitaus älter. Seit der römischen Antike werden Gemälde von Lebensmitteln oder Mahlzeiten angefertigt, möglicherweise aus ähnlichen Motiven wie heute…

 

Warum fotografieren wir unser Essen?

Etwa zwei von drei Deutschen haben ihr Essen schon einmal fotografiert. Für das Warum gibt es verschiedene Gründe.

 

 1. Selbstdarstellung

 

Der Sozialpsychologe Alexander Bodansky meint, dies sei eine Art, seinen Status festzustellen und ggf. anderen zu präsentieren, ganz nach dem Motto: Du bist, was du isst. Politiker würden Bilder von ihrem Essen z.B. dafür nutzen, um volksnäher zu wirken.

 

Je nachdem, ob das Essen besonders lecker, besonders gesund, besonders ästhetisch anmutet, lässt sich von dem Foto etwas über den Anspruch der Person an ihr Essen und auch an sich selbst ableiten. Ein besonders idyllisch arrangiertes Foto kann auch für die Idee von Achtsamkeit und Selbstfürsorge stehen, ein raffiniert angerichteter Teller für Kreativität und Können.

 


2. Aufwertung durch bewusste Wertschätzung

 

Es gibt aber noch eine andere Theorie, warum Menschen ihr Essen fotografieren. Es handelt sich dabei nämlich um eine Form von Wertschätzung. Eine Studie des Journal of Consumer Marketing in 2016 fand heraus, dass fotografiertes Essen besser schmeckt. Erklärt wurde das Phänomen damit, dass das Fotografieren mit einer bewussteren Wahrnehmung (und Wertschätzung) des Essens einhergeht und damit die Vorfreude sowie das Genusserlebnis steigert.

 


 3. Anteilnahme und Gemeinschaftssinn

 

Natürlich kann man auch allgemein die Frage stellen, warum wir Bilder mit anderen, teilweise fremden Menschen teilen. Soziale Netzwerke funktionieren, weil wir dort Teil von verschiedenen Interessens-Gemeinschaften sein können. Wir teilen unsere Erfahrungen mit anderen und andere teilen ihre Erfahrungen mit uns. So kann ein Foto von unserem Essen, das wir vielleicht gerade notgedrungen alleine einnehmen uns auch das Gefühl von Gemeinschaft und Anteilnahme geben, welches wir in dieser Situation vllt vermissen.

 


Unser Projekt

Gekochte Speisen werden in zahlreichen Lebensbereichen präsentiert, wie bspw. in Kochbüchern den sozialen Medien oder Foodblogs. Ausnahmslos sind die Fotografien stark bearbeitet und werden einem umfangreichen Prozess des Foodstylings unterzogen, wie bereits erläutert wurde. Diese Bilder kreieren eine Illusion und zeigen Darstellungen von Essen, die mit der Realität nicht mehr viel zu tun haben. Unsere Idee bestand darin, diese Divergenz deutlich zu machen und hervorzuheben welche Unterschiede zwischen den veröffentlichten Originalbildern und der tatsächlichen Ausführung liegen können.

 

Innerhalb des Projektrahmens haben wir mehrere Rezepte gekocht und angerichtet. Die Rezepte sind der App KptnCook entnommen, da diese dafür bekannt ist, die gekochten Gerichte besonders ansprechend zu präsentieren. Anschließend fotografierten wir die angerichteten Teller, wobei wir auf verschiedene stilistische Merkmale Rücksicht nahmen, wie bspw. eine ausreichende Beleuchtung, um die Schattenbildung zu reduzieren, die Berücksichtigung des passenden Winkels und die Gestaltung des Tisches rund um den Teller an sich. In einem Selbstversuch erlebte wir hiermit die Wirkung des Fotografierens von Essen.

 

Eine Schwierigkeit, die sich beim Nachkochen der Gerichte bereits frühzeitig herauskristallisierte, war die Verwendung von Zutaten, die nicht unbedingt vorrätig vorhanden sind und die wir somit extra für das jeweilige Rezept erwerben mussten. Teilweise waren diese auch nicht zu bekommen, so dass wir auf Alternativen ausweichen mussten. Die Gerichte zeichneten sich durch guten Geschmack aus, wenngleich sich das Aussehen in der Regel etwas unterschied. Die von uns erstellten Bilder wurden dann für einen Vergleich mit den auf der App abgebildeten Fotografien herangezogen, so dass im direkten Vergleich die starke Bearbeitung der Bilder deutlich zu Tage trat. In der theoretischen Reflexion erlangten wir die Einsicht, dass das Herrichten und Fotografieren des Essens tatsächlich einen Einfluss auf das Geschmackserlebnis ausübte, da wir uns im Vorhinein mehr Zeit genommen hatten, um das Essen schön zu präsentieren und damit das Essen auch bewusster zu uns nahmen.

Impressionen

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