Schönheit als schöpferischer Funke

Manchmal, wenn Schönes, oder eine Idee der Schönheit, uns tief in der Seele berührt,

ereignet sich etwas, was man als "schöpferischen Moment" bezeichnen kann.

Es entzündet in uns kreative Energien, die sich dann in Kunstwerken,

neuen Erkenntnissen, technischen Erfindungen,

oder auch sozialen Innovationen verwirklichen.  

Was genau dabei geschieht, ist nach wie vor eher Rätsel als erkannt. 

Verdichtet man die Gedanken von Künstlern und Philosophen (siehe diese unten ausführlicher) dazu,

könnte man es als einen Hauch oder Funken der letztlich nicht verifizierbaren "Quelle" bezeichnen,

 

Hier ein Video dazu, wie der Architekt und Künstler Friedensreich Hundertwasser dieses 

schöpferische Lebensgefühl jenseits von Wille und Verstand lebte und deutete:


Hier unten einige Gedanken von Forschern verschiedener Epochen und Kulturen dazu,

inwiefern Schönheit nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch eine Art "Wahrgebung" (Jean Gebser)

eines größeren Zusammenhangs in unseren Sinnen, Gefühlen, Gedanken und Intuitionen ist:

 

Zuerst von Platon in seinem Werk "Symposium":

"So will ich es dir denn sagen, sprach sie (Diotima). Es ist dies die Zeugung im Schönen, dem Körper wie dem Geiste nach.

Es ist nämlich, mein Sokrates, fuhr sie fort, die Liebe nicht, wie du glaubst, auf das Schöne als solches gerichtet.

Auf was denn sonst?

Auf die Erzeugung und Geburt im Schönen.

Es mag sein, erwiderte ich.

Es ist so, versicherte sie.

Warum denn aber auf die Erzeugung?

Weil die Zeugung das Ewige und Unsterbliche ist, soweit dies vom Sterblichen erreicht werden kann." 

  

G.W.F. Hegel greift in seinen „Vorlesungen über Ästhetik“ (https://www.textlog.de/5690.html) mit seiner Bestimmung des Schönen „als sinnliches Erscheinen der Idee“ wichtige Aspekte des Platonschen Begriffs auf:

„Denn der Begriff erlaubt es der äußeren Existenz in dem Schönen nicht, für sich selber eigenen Gesetzen zu folgen, sondern bestimmt aus sich seine erscheinende Gliederung und Gestalt, die als Zusammenstimmung des Begriffs mit sich selber in seinem Dasein eben das Wesen des Schönen ausmacht. Das Band aber und die Macht des Zusammenhaltes ist die Subjektivität, Einheit, Seele, Individualität. … Denn dem Wesen des Schönen nach muß in dem schönen Objekt sowohl der Begriff, der Zweck und die Seele desselben wie seine äußere Bestimmtheit, Mannigfaltigkeit und Realität überhaupt als aus sich selbst und nicht durch andere bewirkt erscheinen. .. Durch diese Freiheit und Unendlichkeit, welche der Begriff des Schönen wie die schöne Objektivität und deren subjektive Betrachtung in sich trägt, ist das Gebiet des Schönen der Relativität endlicher Verhältnisse entrissen und in das absolute Reich der Idee und ihrer Wahrheit emporgetragen.“

 

Abraham Maslow, der Begründer der Humanistischen Psychologie, schrieb vor 60 Jahren einen bisher kaum bekannten Text über die schöpferische Kraft selbstverwirklichender Menschen, in dem folgendes steht:

„Die Art schöpferischer Kraft, die ich versucht habe, zu skizzieren, ist am besten veranschaulicht durch die Improvisation wie im Jazz oder in kindlichen Malereien. … Selbstverwirklichende schöpferische Kraft ist emittiert oder ausgestrahlt und trifft alles im Leben, ohne Rücksicht auf Probleme, so wie eine fröhliche Person Fröhlichkeit ohne Absicht oder Konstruktion oder sogar Bewusstsein emittiert. Sie wird emittiert wie Sonnenschein, sie verbreitet sich überall, sie lässt Dinge wachsen  und verbreitet Schönheit in der Welt.“ (siehe seinen Text als Ganzes hier: https://www.cocre.eu/

 

 

In der zuerst in östlichen Kulturen  entstandenen und in westlicher Kultur nach wie vor kaum integrierten Forschung transpersonaler Qualitäten und Energien wird diese schöpferische Kraft u.a. als Kundalini bezeichnet:

"Kundalini ist Schwingung, - vibrierende Wellenbewegung von Emanation und Resorption - eine Schwingung allerhöchster Frequenz, und diese Schwingung wohnt eingebettet im Bewusstsein wie die Welle im Meer. Heutzutage wird oft der Ausdruck "Kundalini-Energie" gebraucht. Doch er führt in die Irre. Kundalini ist keine Energie, sie ist vielmehr Bewusstsein; Teil des absoluten Bewusstseins, aus dem sie hervorgegangen ist, mit einem winzigen Quentchen Kraft. Sie gibt die Impulse, sie ist der zündende Funken, der Energie in Bewegung versetzt. Sie ist also um vieles mächtiger als die Energien, die zur Wirkung bringt."

(Quelle: Kiu Eckstein: Kundalini-Erfahrungen, Aquamarin Verlag 2008)

 

Der Bewusstseinsforscher Joe Dispenza schreibt in seinem Buch „Werde übernatürlich: Wie gewöhnliche Menschen das Ungewöhnliche erreichen“ (KOHA-Verlag 2017):

"Wenn wir Kontakt mit positiven Emotionen wie Freundlichkeit, Mitgefühl  und Schönheit haben – Emotionen, die übrigens unser Geburtsrecht sind – dann, so haben Studien ergeben, wird tendenziell ein anderes Neuropeptid namens Oxytocin freigesetzt, das die Rezeptoren in der Amygdala, dem Teil des Gehirns, das Furcht und Angst erzeugt, auf natürliche Weise abschaltet. Wenn uns die Angst nicht mehr im Wege steht, können wir unendlich mehr Vertrauen, Vergebung und Liebe fühlen. Wir sind weniger selbstsüchtig und eher selbstlos. Wenn wir diesen neuen Seinszustand verkörpern, öffnen unsere neuronalen Schaltkreise das Tor zu unendlichen Möglichkeiten, die wir uns vorher nie hätten vorstellen können ...“

 

Simone Weil, die leider viel zu wenig bekannte mutige Philosophin des 20. Jahrhunderts, erfasst dieses produktive Gefühl des Schönen noch  etwas lebendiger als die gerade zitierten Männer:

„Ihrer wahren Wesensbestimmung nach ist die Wissenschaft das Studium der Schönheit der Welt. Die Erfahrung des Guten gewinnt man nur, indem man es vollbringt. Deshalb ist das einzige Organ für den Kontakt mit der Existenz die Akzeptanz, die Liebe. Deshalb sind Freude und Realitätssinn identisch. … Durch die Freude dringt die Schönheit der Welt in unsere Seele ein.“ (Simone Weil in: "Schwerkraft und Gnade")